Wer leidet, der schneidet

Das Veranstaltungsmotto verbindet die existentiellen Themen von Abschied, Verdrängung und Flucht in Vergangenheit und Gegenwart. Dabei wird der Bogen von John Heartfields Exil zu dem anderer vertriebener Künstler geschlagen.
Die Videokünstler und Filmemacher Marcel Odenbach und Gavin Hodge, der Komponist Helmut Oehring sowie Angela Lammert und Michael Krejsa sprechen über alte und neue Fluchtkonflikte und Rückzugsorte.

Musik: Adumá Saxophonquartett und Grégoire Blanc am Theremin,
AURORA (aus: Nachtschatten von Helmut Oerhing) und andere Kompositionen

Michael Krejsa begrüßt die Gäste.

Die Vorbereitungen für diese Veranstaltung waren etwas aufwendiger. Zwei Videos sollten gezeigt werden im Freien vor dem Sommerhaus. Aus vorherigen Veranstaltungen war uns klar, Beamer und Leinwand reichen nicht für eine annehmbare Bildqualität. So wurde ein 65 Zoll Fernseher/Bildschirm angeschafft. Immerhin eine Bildgröße von 143 x 80 cm.
5 Musiker und 5 „Redner“, das musste abgestimmt werden und so wimmelte es bereits 12.30 Uhr auf dem Grundstück. Die Vorbereitung und Finanzierung dieser Veranstaltung erfolgte durch die Akademie der Künste mit Unterstützung des Freundeskreises. Der Komponist Helmut Oehring und Michael Krejsa waren dabei federführend.

Der Kameramann Frederik Walker, Marcel Odenbach und Angela Lammert im Gespräch vor der Veranstaltung.

Marcel Odenbachs Videosequenz zeigte dann Ausschnitte aus dem Leben John Heartfields. Die Videoinstallation auf zwei Bildern nebeneinander und eigentlich auch räumlich getrennt, hatte er für die Berliner Ausstellung 2020 bereits 2019 gedreht und war dafür auch in Waldsieversdorf. So gab es einen Querschnitt aus Montagen, Originalaufnahmen aus den 30er Jahren, das Sommerhaus und Johny in den letzten Lebensjahren. Im Gespräch später erfuhren wir, das der Veranstaltungstitel auch autobiographische Züge trägt. „Wer leidet der, der schneidet“ oder „Wer schneidet, der leidet“ so geht es Marcel Odenbach beim Zusammenstellen seiner Videos; was wird genutzt von den vielen Aufnahmen. Dass dieses Video entstand, haben wir Angela Lammert zu verdanken. Sie hatte in Vorbereitung der Ausstellung „Photografie plus Dynamit“ Marcel Odenbach engagiert und ihn nach Waldsieversdorf begleitet.

Helmut Oehring liest aus seinem Stück Aurora, welches in der Villa Aurora in Los Angeles entstand.

Anschließend spielten die Musiker die Komposition AURORA von Helmut Oehring. Es war interessant zu sehen und zu hören, welche Töne man den Instrumenten entlocken kann. Das Stück Aurora entstand in der Villa Aurora in Los Angeles. Helmut Oehring war dort von Januar-März 2020 Stipendiat. „AURORA“ ist eine Arbeit über Abschiede, Verdrängung, Exil. Über die daraus resultierende Leerstelle. Über Vaterland, Muttersprache. Das Ausradieren. Herausreißen. Abbrechen, Löschen. Davon, wie es ist, verfolgt und heimatlos, im Exil in einem fremden Land mit anderer Sprache tätig zu sein.

Gavin Hodge hat 1991 den Film „ Zygosis : John Heartfield and the political image”
über John Heartfield gedreht. Wir sehen eine kürzere Videosequenz.
Michael Krejsa, Marcel Odenbach, Angela Lammert und Gavin Hodge im Gespräch.

Im anschließenden Gespräch mit Marcel Odenbach und Gavin Hodge, moderiert von Micheal Krejsa und Angela Lammert berichtet Gavin Hodge, wie überrascht man 1991 in der Akademie war, als er, ein Brite vor der Tür stand und einen Film über Heartfield drehen wollte. Nach einigen Hin- und Her stand ihm dann Michael Krejsa zur Seite und die Arbeit konnte beginnen. Gavin Hodge gehörte zur Künstlergruppe Gorilla Tapes, die durch ihre bissigen, politischen Scratch-Viedos bekannt geworden ist. Ihr Ziel war es keine langen Dokumentationen zu drehen, sondern kurz und knapp, das Wichtigste zu erzählen. Der Film vermischt dokumentarisches Filmmaterial, Wochenschaumaterial, Computeranimation und zeitgenössische Interviews. Der Regisseur vergleicht den Aufbau einer Fotomontage mit dem Bearbeitungsprozess eines Films: Beide verwenden das Ausschneiden, Einfügen und Montieren verschiedener Arten von Bildern, um einen gewünschten Effekt zu erzielen. Im Film über Heartfield sollten sich nicht die Fachleute an den Fotomonteur erinnern, sondern die Menschen und in diesem Fall Barbara Cartlidge.

Zum Schluß gab es noch einmal Musik und danach erklärte Grégoire Blanc das Theremin – ein Kasten mit 2 Antennen, einmal für die Tonhöhe und einmal für die Tonstärke, und die Hände darüber frei schwebend. Der Abstand zur Antenne bestimmt Ton und Tonstärke – ganz schön schwierig.

Eine Überraschung gab es durch den Enkel John Heartfields Bob Sondermejer. Auf unserem Einladungsbild ist John Heartfield in einer dunkelroten Jacke zu sehen. Genau diese Jacke ist erhalten geblieben und Bob hat sie mitgebracht. Sogar die blauen Flecke darauf passen zum Haus, sind aber erst später entstanden – Bob hat sie als Arbeitsjacke genutzt. John Heartfield hat sie in Finnland gekauft, wo er eine Ausstellung hatte.

Besten Dank den Organisatoren dieser schönen Veranstaltung.

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