DA bin ich! Ein Leben wie eine Collage.

eine Ausstellung zu den Lebensstationen John Heartfields mit 16 Federzeichnungen von Ireen Zielonka und einer Soundinstallation von Ireen Zielonka in Kooperation mit Dean Olofsson.
Seit 2010 ist Ireen Zielonka mit dem Freundeskreis John Heartfield verbunden. Anhand von Fotos hat sie die Rekonstruktion des Kaminzimmers erstellt, eine Schautafel gestaltet und eine Dokumentation zur Führung durch das John-Heartfield-Haus erarbeitet. Ihre Federzeichnungen zeigen nun Heartfields Lebensstationen anhand seiner Aufenthaltsorte und seiner Fotomontagen.

Eine Ausstellungseinführung von der Kulturwissenschaftlerin Juliane Grützmacher, Mai 2021:

Ireen Zielonka, Foto Daniel Zakharov

Die Zeichnerin Ireen Zielonka wurde 1981 in Berlin geboren. Ihre Affinität zur Architektur begleitet sie seit jeher und stellt für sie den Ausdruck nach dem Sein in einer Gesellschaft dar. Mit ihren Federzeichnungen wurde die Berlinerin bereits in mehr als 40 Ausstellungen im In- und Ausland ausgestellt, zuletzt im Rahmen der Gruppenausstellung „Points of Resistance“ im Frühjahr 2021 in der Zionskirche in Berlin, kuratiert von „Kleiner von Wiese“.
In Zielonkas Federzeichnungen geraten die Fassaden der Gebäude ins Schwingen, als würde ein gewaltiger Atemzug durch die Bauwerke gehen. Die Perspektiven und Größenverhältnisse spielen den Betrachtern einen Streich und generieren traumgleiche Szenen; nicht ohne jedoch die wesentlichen Elemente und Charakteristika der Originalarchitektur einzufangen und abzubilden. Ihre Weltausschnitte erscheinen als kontrolliertes Chaos mit dadaistischen und montagehaften Zügen. So auch in den Arbeiten dieser Serie „DA bin ich“ von und über das Leben des Montagekünstlers John Heartfield.

Die Ausstellung ist in der sanierten Garage untergebracht. Im Hintergrund das Kinderhaus. Die Kulturwissenschaftlerin Juliane Grützmacher stellt die Ausstellung vor.

Im Original umfasst diese Serie 16 Federzeichnungen auf säurefreiem Papier und eine Soundinstallation, welche alle im Frühjahr 2021 entstanden sind. Aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit in den Gebäuden auf dem Areal des ehemaligen Anwesen John Heartfields wurden die Zeichnungen auf Alu-Verbundplatten gedruckt. Die Originale können beim „Verein Freundeskreis John Heartfield e.V.“ eingesehen und bei der Zeichnerin käuflich erworben werden.
Das Hauptwerk der Ausstellung stellt die Zeichnung „Hoffnung kommt“ dar und ist im Original mit 98cm x 165cm die größte Arbeit aus der Reihe. Sie entstand in Anlehnung an das von Heartfield verwendete Motiv, einer auf einem Bajonett aufgespießten Taube. Im Original von John Heartfields „Niemals wieder!“ von 1932, ist das Palais Wilson in Genf (Sitz des Völkerbundes) zu sehen. Zielonka ersetzt in ihrer Zeichnung das Gebäude durch lebendige, herbeieilende Tauben, die gurrend Zuversicht verkünden. Vielleicht auch nicht zuletzt ein ins positive verkehrte Leitmotiv Heartfields?

Hoffnung kommt, Federzeichnung 98cm x 165cm, Tusche auf säurefreiem Papier, 2021

Die drei Arbeiten an der linken Wand widmen sich den Themen Flucht, Courage und der Frage nach Gerechtigkeit. Hier wendet sich die Zeichnerin an den Betrachter und holt Themen und Motive aus John Heartfields Leben und Schaffen in die Gegenwart. So greift sie den Ausdruck „Flucht“ auf. Ein Thema, was nie an Aktualität verloren hat. Doch was bedeutet es, wenn man alles verlassen muss, um überleben zu können? In der Zeichnung „Schnittstelle“ fragt Zielonka nach der eigenen Courage des Betrachters und wie sich ein couragiertes Verhalten im Leben des Einzelnen ausdrückt. In „Justitia“ fügt die Zeichnerin zwei Motive John Heartfields zusammen, in denen die Gerechtigkeit ins Paradoxe verschoben wird. Der Betrachter wird angehalten darüber nachzudenken, ob Gerechtigkeit ein Verhaltenskodex der Gesellschaft ist in der er lebt oder ob er einem wahren altruistischen Verhalten folgt.

In 12 Federzeichnungen auf der rechten Wand, sind in akribischer Manier karikaturhafte und zugleich detailversessene Federzeichnungen zu sehen, welche eine Auswahl der Lebensstationen John Heartfields zeigen, Orte in denen er gelebt hat. Es treffen sich markante Gebäude der Städte und mit Objekten, die Heartfields Zeit an den Orten charakterisieren: die Salzburger Domspitze fällt der Schere zum Opfer, zwei Hände halten die Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Berlin-Charlottenburg, Bücher bilden das Fundament des Wiesbadener Rathauses und das Rad der Druckerpresse stützt den Mannheimer Wasserturm.

Die Federzeichnungen rechts zeigen Orte / Gebäude, die für Heartfield von Bedeutung waren, darunter Schmargendorf, Salzburg, München, Wiesbaden, Berlin, Prag, London, Moskau und Waldsieversdorf
Da bin ich in Waldsieversdorf, 42cm x 29,7cm, Tusche auf säurefreiem Papier, 2021

Als wiederkehrendes Motiv erscheinen die Hände und die Schere in Zielonkas Arbeiten. Besonders die Hand mit den fünf Fingern steht mithin schon ikonografisch für Heartfields Montagewerk und politischer Haltung. Deshalb erscheint es nur folgerichtig auch in dieser Ausstellung darauf zurück zu greifen. Fünf Finger hat die Hand – fünf Finger halten die Schere. Die Schere mithin das Arbeitswerkzeug eines Montagekünstlers und zugleich Symbol für Loslösung und Trennung. Auch Heartfield trennte sich von Orten und fing von vorn an und nicht nur einmal in seinem Leben; bis es ihn hierher zum Häuschen mit den blauen Fenstern am idyllisch gelegenen See führte.
Die Soundinstallation lädt zum Lauschen, Staunen und Verweilen vor diesem bebilderten Lebensweg ein. Auch hier geht Zielonka chronologisch vor, so dass die Zeichnungen zu seinen Aufenthaltsorten an der rechten Wand auch akustisch erlebbar sind. Die Soundinstallation entstand in Zusammenarbeit mit Dean Olofsson.


DAs hätte Heartfield vermutlich gefallen; denn DA war er überall.

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